Digitaler Wandel, Nachwuchssorgen und politische Regulierung. Die Herausforderungen der Versicherungsbranche sind multipel. Dennoch glauben Insider wie JDC-Chef Dr. Sebastian Grabmaier an die Problemlösungskräfte der Versicherungswirtschaft.
Kaum eine Branche ist in Deutschland so abhängig vom Gesetzgeber wie die Versicherungswirtschaft – insbesondere beim Thema Altersvorsorge. Bis ins letzte Detail gibt es Vorgaben für das Beratungsgespräch, die Vertragskonditionen und die Vergütung der Vermittler.
Aber auch die Art und Weise, wie die Versicherer das Geld ihrer Kunden investieren dürfen, ist von der Politik reglementiert – und zwar sicher, aber auch renditeschwach. Ein Umstand der nicht nur den Versicherungsunternehmen Kopfschmerzen bereitet, sondern auch die Anleger Chancen und damit Zinsen kostet.
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank tat dann ihr Übriges. Die Renditen der Versicherungsprodukte sanken in den letzten Jahren kontinuierlich – und damit auch die Altersvorsorge der meisten Deutschen. Also musste schnell ein Schuldiger her. Man rate und staune: Die Wahl fiel auf die Versicherungsunternehmen.
Nach Rentenkürzungen und der Einführung der Riesterrente liebäugelte die Politik nun mit einer privaten Altersvorsorge unter staatlicher Aufsicht. Unter Labels wie „Deutschland-Rente“ oder „Schäuble-Bonds“ kamen verschiedenste Vorschläge aus den Reihen der politischen Arena.
Die Reaktion der Versicherungslobby ließ nicht lange auf sich warten. “Den Staat selbst quasi als Überkonkurrent in den Markt einzuführen, ist nicht nur wettbewerbsrechtlich sondern auch ordnungspolitisch verfehlt”, wettert Peter Schwark in der “FAZ”. Es sei zudem keineswegs erwiesen, dass ein staatlich verwalteter Fonds kostengünstiger sei als eine marktwirtschaftliche Lösung, warnt das Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Die Versicherungsbranche ächzt unter erheblichem Nachwuchsmangel.
Die gesetzlichen Anforderungen an Berater und Vermittler von Versicherungslösungen wurden in den letzten Jahren angehoben. Gleichzeitig wurden aber auch die Verdienstmöglichkeiten durch den Gesetzgeber beschnitten, indem die Höhe der Provisionen stark reglementiert wurde. Ein erstaunliches Vorgehen unter dem Aspekt, dass die private Altersvorsorge der Deutschen eigentlich ausgebaut und nicht abgebaut werden sollte.
Das zweite Ziel der politischen Regulierung – der Honorarberatung den Weg in die Wohnzimmer zu ebnen – wurde ebenfalls nicht erreicht. Auch Jahre nach den Reformen machen Ausschließlichkeitsvertreter den allergrößten Teil des Versicherungsgeschäfts – und diese Situation wird sich auch in nächster Zeit nicht ändern.
Das nebeneinander der beiden Vermittlungsformen habe aber nicht nur Nachteile, findet Dr. Sebastian Grabmaier, Chef des Maklerpools Jung, DMS & Cie. AG und seit diesem Jahr auch Vorstand des Verbands Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa VOTUM e. V. Im Gespräch mit versicherungswirtschaft-heute.de erklärt Dr. Sebastian Grabmaier:
Die traditionelle Provisionsvermittlung wird weiter das Grundmodell für die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten sein und sein müssen. Gerade für erfolgreiche Berater und Vermittler ist dies aber nicht entscheidend: Der maßgeschneiderte Lösungsvorschlag für jeden Kunden muss sich am individuellen Bedarf und “Geschmack” des Kunden ausrichten. Und dafür bietet das Modell der Honorarberatung ideale Möglichkeiten.
Der Staat solle sich besser zurückhalten, findet Dr. Sebastian Grabmaier. Die Regulierung habe bisher meist mehr Probleme verursacht, als sie lösen konnte. Ein wenig Vertrauen in die altehrwürdige Branche könne nicht schaden. Dr. Sebastian Grabmaier erklärt:
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Branche ihre Probleme selbst lösen kann. Dem Ruf nach der Politik folgt meist eine “Verschlimmbesserung” der Situation. So hat der Ruf nach einer Provisionsdeckelung in der Krankenversicherung zwar den Kunden null erspart, jedoch weite Teile des Vertriebsmarktes zum Erliegen gebracht. (…)
Mein Wunsch wäre es daher, dass sich der Gesetzgeber neben der möglichst schonenden Umsetzung der EU-Richtlinien MiFiD und IDD mit weiteren Veränderungen zurückhält, denn Gesetzesänderungen hatten wir in den letzten Jahren wahrlich genug.
Digitaler Wandel als Herausforderung für die Versicherungsbranche
Neben politischer Regulierung und Nachwuchsmangel ist die Digitalisierung der Branche die größte Herausforderung der Versicherungsbranche. Diverse junge Start-Up-Unternehmen machen als sogenannte Fintechs den etablierten Marktteilnehmern vermehrt Konkurrenz.
Nachdem das Thema lange Stiefmütterlich behandelt wurde, schlägt die Branche jetzt mit aller Wucht zurück. Jung, DMS & Cie., dessen Chef Dr. Sebastian Grabmaier einer der Ersten war, der auf den Megatrend Digitalisierung hingewiesen hat, bietet seinen Beratern mit der App “allesmeins” eine eigene Fintechlösung zur Kundenbetreuung an.
Erklärungsarme Produkte werden in Zukunft vermehrt online abgeschlossen werden, aber komplexere Produkte, insbesondere Altersvorsorge und Krankenversicherungen, werden auch in Zukunft eine persönliche Beratung benötigen, so die These von Dr. Sebastian Grabmaier. Daher setzt Jung, DMS & Cie. auch auf eine Hybridberatung.
Dieses Modell könne die Berater sogar entlasten meint Grabmaier, da sich diese dann auf die erklärungsbedürftigen Produkte konzentrieren und dem Kunden damit eine noch bessere Beratung anbieten können.
Der große Vorteil der Maklerpools sei es, dass sie sowohl online, als auch offline ihren Kunden Hilfestellung bieten können. „In dieser Form der hybriden Beratung – online und persönlich – sehen wir große Chancen für moderne Berater und Vermittler: Digitalisierung bedeutet höhere Marktanteile für diejenigen, die verstanden haben, wie sie sich effizient und effektiv aufstellen können und sich auf das Wesentliche konzentrieren“, erklärt Dr. Sebastian Grabmaier im Cash-Interview.
Dennoch stehe die Branche weiterhin unter Konsolidierungsdruck. Nicht jeder Maklerpool, nicht jedes Versicherungsunternehmen hat ein Geschäftsmodell, das zukunftsfähig ist, daher werde es auch in Zukunft weiter Fusionen geben. Dies müsse der Branche aber nicht zwangläufig schaden, sondern kann auch positive Wirkung entfalten.
JDC sei das beste Beispiel, dass Fusionen unter Pools Wachstumsimpulse auslösen und erfolgreich sein können. Eine gewisse Größe der Einkaufsgemeinschaften würde es neuen Akteuren schwer machen, zu den etablierten Anbietern aufzuschließen, erklärt Grabmaier.