10 Jun 2024

Die Elliott-Wellen-Theorie ist eine technische Analyse für Aktienkurse oder andere Preisbewegungen auf dem Finanzmarkt, bei der wiederkehrende, langfristige Muster aus den typischen Zig-Zag Bewegungen der Aktienkurse identifiziert und vorhergesagt werden sollen. Sie wurde von Ralph Nelson Elliott entwickelt und beobachtet wiederkehrende fraktale Wellenmuster, die in Aktienkursbewegungen und im Verbraucherverhalten zu erkennen sind. Anleger, die von einem Markttrend profitieren, werden als Wellenreiter bezeichnet.

Erklärung der Elliott-Wellen-Theorie

Einfach gesagt, beschreiben die Elliott-Wellen die Schwankungen von Akteinkursen, wenn diese ihren Kurs ändern. Steigt der Aktienkurs von 80 auf 100 Euro, passiert das nicht in einer geraden Linie, sondern mit kleinen Auf- und Abbewegungen, meistens durch die Emotionen der Anleger ausgelöst. Diese Schwankungen während einer Kursänderung werden nach der Elliott-Wellen-Theorie in fünf und drei Wellen eingeteilt. Die Namensgebung erfolgt nach dem Erfinder Ralph Nelson Elliott, der eine deterministische Abfolge der Fibonacci-Folge und des Goldenen Schnitts bei Aktienkursen feststellte – eine mathematische Erklärung der Zig-Zag Bewegungen.

Eine Finanzanalyst sucht mit der Elliott-Wellen-Theorie nach wiederkehrenden langfristigen Kursmustern, die mit anhaltenden Veränderungen der Anlegerstimmung und -psychologie zusammenhängen. Die Theorie identifiziert Impulswellen (Motiv- oder Antriebswellen), die einen Impuls für eine neue Kursänderung erkennen, und Korrekturwellen, die sich diesem Trend entgegenstellen. Jeder Wellensatz ist in einen größeren Satz von Wellen eingebettet, die demselben Impuls- oder Korrekturmuster folgen, was als fraktaler Ansatz für Investitionen beschrieben wird.

Diese Wellen werden grundlegend in verschiedene Zeiträume eingeteilt, was den fraktalen Charakter der Kursbewegungen auf verschiedenen Ebenen erfasst. Die bekannte Dow-Theorie (technische Analyse) ähnelt Elliotts Theorie insofern, als beide die Bewegungen der Aktienkurse als Wellen erkennen. Da Elliott jedoch zusätzlich die „fraktale“ Natur der Märkte erkannte, war er in der Lage, sie viel detaillierter aufzuschlüsseln und zu analysieren. Fraktale sind mathematische Strukturen, die sich in immer kleinerem zeitlichen Maßstab unendlich oft wiederholen. Elliott entdeckte, dass die Kursmuster der Aktienindizes auf dieselbe Weise strukturiert sind. Kursbewegungen innerhalb von Minuten können nach der Elliott-Wellen Theorie den Kursbewegungen über Stunden, Tage, Monate, Jahre oder Jahrzehnte ähneln.

Masur, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons
Aus dem Aufsatz „The Basis of the Wave Principle“ von R. N. Elliott (1940). Masur, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

 

Elliott-Wellen-Analyse richtig anwenden

Die Elliott-Wellen-Theorie stellt bei der Analyse ein paar Regeln auf, um einen Impuls richtig zu erkennen. Die Impuls-Welle zählt zu den wichtigsten Elementen in der Elliott-Wellen-Analyse, zusammen mit den korrigierenden Wellen. Dazu kommt die Art der Bewegung, ob es sich um eine Zig-Zag-, Flat- oder Dreiecks-Korrektur handelt. Insgesamt gibt es in der Elliott-Wellen-Analyse folgende Begriffe:

Begriff Erklärung
Impulswellen Eine fünfteilige Wellenstruktur, die sich in die Richtung des Haupttrends bewegt.
Korrekturwellen Eine dreiteilige Wellenstruktur, die sich gegen den Haupttrend bewegt.
Motive Wellen Wellen, die sich in Richtung des übergeordneten Trends bewegen (umfasst Impulswellen und Diagonal-Dreiecke).
Diagonale-Dreiecke Eine fünfteilige Struktur, die sowohl in Impuls- als auch in Korrekturphasen auftreten kann, meist als End- oder Anfangsmuster.
Zigzag-Korrektur Ein dreiteiliges Korrekturmuster (A-B-C), bei dem Welle A und C Impulswellen sind und Welle B eine Korrekturwelle.
Flat-Korrektur Ein dreiteiliges Korrekturmuster (A-B-C), bei dem Welle A und B ungefähr gleich groß sind und Welle C entweder impulsiv oder diagonal ist.
Dreieck-Korrektur Ein fünfteiliges Korrekturmuster (A-B-C-D-E), das meist in Wellen 4 oder B auftritt.
Erweiterte Wellen Wellen, die länger und komplexer sind als die anderen Wellen im Zyklus, häufig in Welle 3.
Fünf-Wellen-Zyklus Ein kompletter Marktzyklus, der aus fünf Wellen besteht: drei Impulswellen und zwei Korrekturwellen.
Drei-Wellen-Korrektur Ein Korrekturzyklus, der aus drei Wellen besteht: Zwei Impulswellen und einer Korrekturwelle.
Wellen Grad Die hierarchische Ebene, auf der die Wellen zeitlich auftreten (z. B. Grand Supercycle, Supercycle, Cycle).
Fibonacci-Verhältnisse Mathematische Verhältnisse, die oft verwendet werden, um Kursziele in der Elliott-Wellen-Analyse zu bestimmen.
Ende-Diagonal Ein spezielles Diagonalmuster, das am Ende eines größeren Impulses oder Korrekturzyklus auftritt.
Zählweise Die Methode zur Identifikation und Benennung der verschiedenen Wellen innerhalb eines Marktzyklus.
Wellenüberlappung Ein Phänomen, bei dem sich Wellen 1 und 4 überschneiden, was in Impulswellen nicht vorkommen sollte (außer bei Diagonalen).
Interne Struktur Die detaillierte Struktur innerhalb jeder Welle, die selbst aus kleineren Wellen besteht.

Impulswellen

Im Markt bewegen sich Elliott-Wellen in einem 5-zu-3 Muster wie im Bild. Eine Zahl beschreibt immer einen Wendepunkt (Richtungswechsel), und ein 5-zu-3 Muster meint 5 Richtungswechsel und 3 Impulswellen, bzw. Motive-Wellen. Zu den Motive-Wellen gehören die Impulswellen, aber auch Diagonale-Dreiecke, die ebenfalls eine Auf- oder Abbewegung angeben können. In der Elliott-Wellen-Theorie werden diese Zahlen bzw. Wellen gezählt. Elliot-Wellen zu zählen bedeutet, die Hoch- und Tiefpunkte in einer Kursbewegung zu zählen. Wie bei Wellen im Meer soll auf einen Berg immer ein Tal folgen. Erfüllen diese Hochs und Tiefs ein bestimmtes Muster, handelt es sich z. B. um eine Impulswelle.

Impulswellen-Regeln

Eine Impulswelle muss alle drei Regeln erfüllen, um als Impulswelle zu gelten. Andernfalls ist es keine gültige Zählung für eine Impulswelle.

Regel Erklärung
Keine entgegengesetzte Wellenüberlappung Welle 2 darf nie über den Anfangspunkt von Welle 1 hinausgehen.
Welle 3 ist nie die kürzeste Welle Welle 3 darf nicht die kürzeste der drei Impulswellen (1, 3, 5) sein.
Welle 4 überlappt nicht Welle 1 Welle 4 darf nicht den Preisbereich von Welle 1 überschneiden, außer in seltenen Fällen von Diagonal-Dreiecken.

Eine Impulswelle und weitere Elliott-Wellen können erweitert werden, sodass z. B. die 3. Welle in ein eigenes Wellenmuster zerlegt wird. Anstatt dann einen einfachen Wendepunkt an Stelle 3 zu haben, findet sich ein weiteres 5-zu-3 Muster, wobei die letzte Zahl (5) dann als Punkt für Welle 3 der übergeordneten Welle gilt, um die Regeln zu befolgen. Für weitere Muster auf anderen Zeitskalen werden für gewöhnlich andere Zahlen oder römische Ziffern verwendet, damit diese einfacher unterscheiden werden können. Da es nicht in den Regeln verboten ist, darf die 5. Welle niedriger als die 3. Welle sein. Die Länge einer Welle bezieht sich auf die Zeit, nicht auf die Höhe.

3 Impulswellen mit Verstößen gegen die Regeln 1, 2 und 3 - smoki99, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
3 Impulswellen mit Verstößen gegen die Regeln 1, 2 und 3 – smoki99, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

 

Korrekturwellen

Korrekturwellen bewegen sich entgegengesetzt der Impulswelle und korrigieren damit den Kurs in die andere Richtung. Anstatt Zahlen werden zur Korrektur die ersten Buchstaben (ABCDE) für die Richtungswechsel verwendet. Die Korrekturen finden als Zigzag, Flat, Dreiecke und Kombinationen statt und folgen auf den ersten 5 Impulswellen. Korrekturwellen sind häufig schwieriger zu identifizieren als der Impuls.

Zigzag Korrektur

Eine Zigzag Korrektur ist ein häufig vorkommendes Korrekturmuster in der Elliott-Wellen-Theorie, das aus drei Wellen besteht: ABC. In einem Zigzag-Muster ist Welle A eine impulsartige Bewegung, gefolgt von einer flachen oder komplexen Korrektur in Welle B und einer weiteren impulsartigen Bewegung in Welle C. Ein Beispiel für eine Zigzag-Korrektur wäre Folgendes:

  1. Preis einer Aktie steigt impulsiv von 100 auf 120 in Welle A

  2. Korrektur in Welle B, bei der der Preis auf 110 zurückgeht

  3. Bevor der Preis in Welle C erneut impulsiv bis auf 130 ansteigt und dem ursprünglichen Impuls folgt

Das schnelle und impulsive Auf-und-Ab entspricht dem Charakter einer Zigzag-Korrektur und ist typisch für viele Marktbewegungen innerhalb der Elliott-Wellen-Theorie. Eine schnelle Kursänderung führt zu Widerstand im Markt und erzeugt dadurch eine Zigzag Korrektur.

Flat Korrektur

Eine Flat Korrektur besteht ebenfalls aus drei ABC-Wellen. Im Gegensatz zu einer Zigzag-Korrektur, bei der Welle A impulsiv ist, weist eine Flat-Korrektur in Welle A und Welle B oft eine flachere Struktur auf, während Welle C entweder impulsiv oder diagonal sein kann. Ein Beispiel für eine Flat-Korrektur wäre Folgendes:

  1. Preis einer Aktie steigt impulsiv von 100 auf 120 in Welle A

  2. Flache Korrektur in Welle B, bei der der Preis auf 110 zurückgeht

  3. Preis steigt weniger impulsiv als in Welle A und erreicht 125 in Welle C

In diesem Beispiel ist die Korrektur in Welle B flach, was bedeutet, dass der Preis nur geringfügig korrigiert, bevor er sich in Welle C erneut in Richtung des übergeordneten Trends bewegt. Dies ist charakteristisch für eine Flat-Korrektur und zeigt eine relative Ausgewogenheit zwischen den Korrekturphasen und der Impulsbewegung.

Dreieck-Korrektur

Eine Dreieck-Korrektur ist ein Korrekturmuster in der Elliott-Wellen-Theorie, das aus fünf Wellen besteht: A, B, C, D und E.

  • Einfach gesagt verbindet man die Peaks (Hochs und Tiefs) miteinander, und wenn dabei ein Dreieck entsteht, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Dreieck-Korrektur.

  • Genau genommen ist eine seitliche oder diagonale Bewegung dadurch gekennzeichnet, dass jede Welle aus drei Teilwellen besteht, die ein symmetrisches oder asymmetrisches Dreieck bilden.

Hier ist ein Beispiel für eine Dreieck-Korrektur:

  1. Preis einer Aktie steigt impulsiv von 100 auf 120 in Welle A.

  2. Seitliche oder diagonale Auf- und Abbewegung, die als Welle B im Hochpunkt beschrieben wird und den Preis zwischen 105 und 115 hält.

  3. Fortsetzung in seitlicher oder diagonaler Auf- und Abbewegung, die als Welle C im Tiefpunkt beschrieben wird und der Preis weiterhin zwischen 108 und 113 schwankt.

  4. Muster wiederholt sich in den nachfolgenden Wellen D und E, wobei der Preis in einem engen Bereich – das Dreieck – gehalten wird, während sich das Muster allmählich verengt, bis die Korrektur vollständig ist.

In diesem Beispiel zeigt die seitliche oder diagonale Bewegung zwischen den Wellen A und E, dass sich der Markt in einer Konsolidierungsphase befindet, wobei Angebot und Nachfrage relativ ausgeglichen sind. Diese Struktur kennzeichnet eine Dreieck-Korrektur und tritt häufig als Teil eines größeren Marktmusters auf, bei dem sich ein Aktienkurs einem bestimmten Wert annähert. In seltenen Fällen treten die Dreiecke andersherum auf, so dass die Peaks immer größer und nicht kleiner werden.

Zeiträume – Wellen-Grad

Jedes Wellenmuster kann bei der Analyse in Unterwellen zerlegt werden. Zoomt man in einen Kursverlauf hinein, betrachtet man kleinere Zeiträume. Nach der fraktalen Elliott-Wellen-Theorie finden sich dieselben Muster auf den verschiedenen Zeitskalen.

 

Wellengrad Zeitperiode
Grand Supercycle Mehrere Jahrhunderte
Supercycle Mehrere Jahrzehnte bis ins Jahrhundert
Cycle Ein Jahr bis mehrere Jahrzehnte
Primary Ein paar Monate bis ein paar Jahre
Intermediate Wochen bis Monate
Minor Wochen
Minute Tage
Minuette Stunden bis Tage
Subminuette Minuten bis Stunden

Kritik und Anwendung von Elliott-Wellen

Im Buch „Elliot Wellen“ von Rüdiger Maaß wird die Allgemeingültigkeit und Präzision der Elliot-Wellen gelobt. Es lassen sich sämtliche Aktienindizes, Währungspaare, Edelmetalle, Rohstoffe und Einzelaktien interpretieren. Wenn ein Finanzmarkt groß genug ist, dass er nicht von einer einzelnen Person beeinflusst werden kann, lassen sich Elliott-Wellen in den Kursbewegungen finden. Als Investor sollte man sich im Klaren sein, dass die Theorie aus den 1930er Jahren bereits in Trading Algorithmen und von professionellen Anlegern ausgenutzt wird, sodass neue, unerwartete Bewegungen entstehen können. Dennoch betont Rüdiger Maaß in seinem Buch, dass die Theorie seit der Entdeckung jeden Test in der Praxis besteht.

Wer mit der technischen Analyse durch Elliott-Wellen an der Börse handeln möchte, sollte seine Analyse soweit vollendet haben, dass beim ersten Kauf schon feststeht, welche Kursziele und Wellen nach der Elliott-Theorie erwartet werden. Im Nachhinein eine Elliott-Welle zu identifizieren, ist einfach. Die Schwierigkeit besteht darin, während der Kursänderung die Wellen richtig zu deuten. Ansonsten könnte jeder mit Traiding Bots Millionen verdienen.

(TB)