Die EU-Taxonomie hat 2022 den Weg für mehr grüne Investments geebnet. Neben dem Energiesektor kann auch die Immobilienwirtschaft zu den Profiteuren gehören. Dafür sind neue Produkte, Herstellungsmethoden und Denkansätze erforderlich. Einige Unternehmen sind bereits auf das grüne Wachstum vorbereitet. Zu ihnen gehört die istraw GmbH & Co. KG. Sie will mit Strohbauplatten den Innenausbau revolutionieren. Wie das gelingen kann, erzählt Gründer und CEO Marcel Burgstaller.
SCOREDEX: Was macht die istraw GmbH & Co. KG genau?
Marcel Burgstaller: Wir beschäftigen uns mit Stroh, genauer gesagt mit Stroh als Baumaterial. Unser wichtigstes Produkt ist die Strohbauplatte, die im Trockenausbau zum Einsatz kommt und als klimafreundliche Alternative zu Gipskartonplatten gilt. Außerdem produzieren wir Schreinerplatten aus Stroh und haben eine Lösung, wie Stroh als Einblasdämmung genutzt werden kann.
SCOREDEX: Warum ist Stroh für grüne Immobilienprojekte geeignet?
Marcel Burgstaller: Stroh hat eine ganz besondere Eigenschaft, es kann das klimaschädliche CO₂ der Atmosphäre entziehen und dauerhaft binden. Deshalb gelten unsere Strohbauplatten auch als Klimanegativ. Wir liefern also einen Baustoff, der einen wirksamen Beitrag dazu liefern kann, den Carbon Footprint eines Gebäudes deutlich zu senken.
Marcel Burgstaller: „Strohbauplatten können einen wirksamen Beitrag leisten, den Carbon Footprint eines Gebäudes deutlich zu senken“.
SCOREDEX: Und wo ist der Haken?
Marcel Burgstaller: Es gibt ihn nicht. Strohbauplatten verfügen über ähnlich positive Materialeigenschaften wie Gipskartonplatten, sind dabei aber stabiler und bieten weitere Vorteile z. B. bei der Verschraubung. Sie bieten ausreichend Schutz gegen Feuer und dämmen den Schall, lassen sich leicht verarbeiten, sind verfügbar und relativ preiswert. Wie bei jedem Material muss man sich nur mit den spezifischen Anforderungen an die Verarbeitung auseinandersetzen. Diese Schulungen übernehmen wir auch. Handwerker, die bereits mit Gipskarton gearbeitet haben, kommen auch schnell mit Strohbauplatten zurecht.
SCOREDEX: Wie werden die Strohbauplatten produziert?
Marcel Burgstaller: Strohbauplatten werden nach einem eigenen Verfahren hergestellt, welches sehr flexibel ist und eine Vielzahl an Faservariationen zulässt. Aktuell nutzen wir Getreidestroh für unsere Platten. Wir können aber nahezu jede einjährige getrocknete Pflanzenfaser verarbeiten. Das System ist da sehr flexibel. Getreide bietet uns momentan zwei Vorteile. Es ist am Markt verfügbar. In Deutschland wird jedes Jahr rund 9 Millionen Tonnen Getreide produziert, für die es keine spezielle Verwendung gibt. Da können wir uns bedienen. Zum anderen bringen die Fasern Eigenschaften mit sich, welche uns dabei helfen, das gepresste Stroh ohne zusätzliche Bindemittel produzieren zu können. Auch das hat einen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit des Produkts.
SCOREDEX: Sie produzieren also an mehreren Standorten?
Marcel Burgstaller: Wir können dort produzieren, wo unsere Kunden es wünschen und wo die Platten benötigt werden. Das kann auch mitten in der Stadt sein. Das Geheimnis ist unser Lizenzmodell. Wir produzieren die Maschinen und verkaufen diese oder stellen sie über Franchise Interessierten zur Verfügung. Das können Bauunternehmer sein, die ihre Baustellen selbst beliefern möchten. Das können aber auch Landwirte sein, die ihre überschüssige Strohproduktion quasi als zweites Standbein an den Mann bzw. die Frau bringen wollen. Wir wollen mit istraw ein Netzwerk an möglichst vielen unabhängigen und dezentral organisierten Produktionsstellen aufbauen. Das ist nicht nur wirtschaftlich, sondern verbessert durch weniger Transporte auch die CO₂-Bilanz der Platten. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.
SCOREDEX: Womit verdient istraw sein Geld?
Marcel Burgstaller: Natürlich durch den Direktverkauf unserer Strohprodukte, durch den Verkauf der Maschinen und über die Lizenzgebühren der verliehenen Maschinen. In den kommenden Jahren können auch noch Einnahmen aus dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten dazukommen. Das ist bislang noch nicht möglich, weil Baustoffe noch nicht im Zertifikatehandel berücksichtigt sind. Das soll aber in den nächsten Jahren geändert werden. Aber auch ohne diese Zertifikate arbeiten wir schon jetzt profitabel.
Marcel Burgstaller: „In den kommenden Jahren können auch noch Einnahmen aus dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten dazukommen“.
SCOREDEX: Sie wollen nun auch neue Investoren mit an Bord nehmen?
Marcel Burgstaller: Ja, istraw ist jetzt an einem Punkt, wo zusätzliche Investitionen für das weitere Wachstum notwendig sind. Wir denken dabei an zwei bis drei strategische Investoren, die nicht nur Kapital, sondern vielleicht auch Begeisterung für das Produkt und Know-how mitbringen. Wir sind mit istraw an einer entscheidenden Schwelle angelangt. Mit zusätzlichem Kapital können wir schneller skalieren und den Bedarf des Marktes decken. Unsere Pipeline ist gut gefüllt, die Auftragslage sehr gut und wir sind in sehr guten Gesprächen mit großen Wohnungsbauunternehmen.
SCOREDEX: Was sind die weiteren Ziele?
Marcel Burgstaller: Wir wollen in den nächsten Jahren unseren Marktanteil im Segment des Trockenbaus weiter ausweiten. Idealerweise könnten wir die Strohbauplatte als Standard im Innenausbau etablieren. Dazu müssen wir unsere Innovationsgeschwindigkeit weiter hochhalten und schnell auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren können. Und vielleicht, ich will mich da noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, ist innerhalb der nächsten Dekade auch ein Börsenlisting denkbar.
Mehr Informationen und weitere Interviews mit CEO Marcel Burgstaller zu istraw, Stroh als Baumaterial, Nachhaltigkeit im Trockenausbau finden Sie auf SQUAREVEST und Business-Leaders.net.