Für Vertragshilfe24 – Experte Sven Enger (59) aus Hamburg sind der andauernde Auszahlungsstopp und die Zwangsliquidation des Mailänder Lebensversicherers Eurovita SPA seit letztem Jahr mit 400.000 Kunden, davon 10.000 in Südtirol, und einem verwalteten Vermögen von 18 Milliarden Euro gar nicht so weit weg von Deutschland.
Denn demselben Inhaber, nämlich der privaten Beteiligungsgesellschaft Cinven Group Limited aus London, gehört auch mehrheitlich die Nummer 1 der deutschen Lebensversicherungs-Bestandsaufkäufer: die Viridium Holding AG aus dem hessischen Neu-Isenburg mit einem Bestand von aktuell 3,4 Millionen Verträgen und 67 Milliarden Euro Kapitalanlagen.
Sven Enger, Vertragshilfe24 kommentiert zu Viridium: „Letztere hat beispielsweise Lebensversicherungsverträge der Generali aufgekauft. Man darf also berechtigt fragen, ob ehemalige Kundinnen und Kunden der Generali noch gut schlafen können, wenn sie wissen, dass ihre Verträge indirekt von einem Unternehmen verwaltet werden, das bereits zu weiteren Zahlungen an die Eurovita aufgefordert wurde.“
Sven Enger verdeutlichte auf YouTube bereits vor einem Jahr: „Die Cinven war jetzt gehalten, in Italien 100 Millionen Euro zum Erhalt der Eurovita zu investieren. Dieses Geld fehlt nun unter Umständen in der Viridium beziehungsweise in den Lebensversicherungsgesellschaften, die mit der Viridium verbunden sind beziehungsweise von ihr aufgekauft wurden.“
Das Wichtigste in Kürze
- Eurovita SPA Auszahlungsstopp: Weil der britische Finanzinvestor Cinven Group Ltd. nur 100 Millionen Euro statt der nach Solvency II nötigen 400 Millionen Euro ins Eigenkapital der Eurovita SPA nachschoss, stellte die italienische Finanzaufsicht IVASS im Februar 2023 die Eurovita SPA unter Sonderverwaltung mit Auszahlungsstopp, Kündigungsverbot, Leistungskürzung und Verpflichtung zur Weiterzahlung der Beiträge.
- Gleiches ist auch in Deutschland möglich: Sven Enger, Vertragshilfe24 erklärte auf YouTube: „Und zwar nach Paragraph 314 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (Auszahlungsstopp bei Weiterzahlung der Beiträge), nach Paragraph 163 des Versicherungsvertragsgesetzes (Leistungskürzung, einseitige Prämienheraufsetzung) und nach Paragraph 222 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (Kündigungsverbot).“
- Eurovita SPA wird zwangsverkauft: Das IVASS hat am 30. Oktober 2023 den Verkauf des Versicherungsportfolios von Eurovita SPA in Zwangsliquidation an die neu gegründete Cronos Vita SPA in Mailand genehmigt. Das Kapital von Cronos Vita SPA wird von den vier italienischen Versicherern Generali Italia, Intesa Sanpaolo Vita, Poste Vita und UnipolSai mit jeweils 22,5% und von der deutschen Allianz mit den restlichen 10% gehalten. Das Portfolio wird ohne vertragliche Änderungen übernommen. Cronos wird das Portfolio innerhalb von 18 bis 24 Monaten an die beteiligten Unternehmen übertragen. 30 Sparkassen und Volksbanken, die die Eurovita-Lebensversicherungen gegen Provision vertrieben haben, müssen nun zur Rettung 300 Millionen Euro in Cronos einzahlen.
- BaFin-Konsequenz – Die BaFin ließ vorsorglich für Cinven/Viridium den geplanten Policen-Kauf von der Zurich Gruppe Deutschland platzen: Weil der Inhaber Cinven Group Ltd. sich als zahlungsunwillig für die nötige Eigenkapitalausstattung der Eurovita SPA erwies, ließ die BaFin 2023 für die Viridium Holding AG, die ebenfalls von Cinven beherrscht wird, den Ankauf von 724.000 Lebensversicherungs-Policen der Zurich Gruppe Deutschland mit einem Leben-Bestand von 21 Milliarden Euro scheitern.
- Vertragshilfe24: Das Verbraucherportal bietet umfassende Informationen zum Thema Lebens- und Rentenversicherungen. Hier können Kundinnen und Kunden sich zudem über die Vertragsabwicklung informieren, die in vielen Fällen höhere Auszahlungen ermöglicht, als die Versicherungen in Aussicht gestellt haben, wie SQUAREVEST.AG berichtete.
Wegen Cinven platzte Deal zwischen Viridium und Zurich
Der einstige Goldman Sachs Investmentbanker Dr. Tilo Dresig (53) aus Frankfurt am Main, dessen Karriere bei der Viridium Holding AG 2018 als Finanzvorstand begann und 2021 in den Vorstandsvorsitz gipfelte, musste wegen des Eigentümers Cinven Group Ltd. einen Dämpfer hinnehmen.
Der Züricher Handelszeitung sagte Dr. Dresig im Juni 2024: „Die Akquisition eines Bestands traditioneller Lebensversicherungen der Zurich Gruppe Deutschland durch die Viridium Gruppe konnte vor dem Hintergrund unserer aktuellen Eigentümerstruktur nicht wie geplant durchgeführt werden. Wir bedauern dieses Ergebnis weiterhin sehr.“
Das Geschäft haben Zurich und Viridium schon im Juni 2022 eingefädelt, wie Cinven am 24. Juni 2024 in einer Pressemitteilung bekanntgab. Mit den Verträgen sollten Rückstellungen in Höhe von 21 Milliarden Euro zu Viridium wandern. Der Kaufpreis sollte 500 Millionen Euro betragen, schrieb die Süddeutsche Zeitung.
Voraussetzung für den Deal war und ist jedoch ein Inhaberkontrollverfahren, in welchem die BaFin prüft, ob die private Beteiligungsgesellschaft Cinven Group Ltd. für die Übernahme eines Lebensversicherungsbestandes geeignet ist.
Zu diesem Inhaberkontrollverfahren kam es im Fall der geplanten Zurich-Bestandsübernahme jedoch nicht, weil die Beteiligten erst gar keinen Antrag stellten. Denn die BaFin soll den Beteiligten signalisiert haben, dass sie dem Deal nicht zustimmen werde, wenn sie einen förmlichen Antrag stellen. Daraufhin verzichteten beide Seiten auf die Einleitung des Verfahrens und stellten das Projekt ein.
Grund für die Zweifel ist laut Süddeutscher Zeitung die Rolle von Cinven in Italien: „Nach Liquiditätsproblemen hatte Cinven der Tochter Eurovita notwendige Kapitalspritzen verweigert. Inzwischen wird die Gesellschaft von der italienischen Aufsicht abgewickelt, die Bestände werden auf die Allianz und vier italienische Lebensversicherer verteilt.“
Viridium-Chef Dr. Tilo Dresig steckt in der Klemme – Keiner kauft Viridium
Die Süddeutsche Zeitung meldete nach dem geplatzten Viridium-Zurich-Deal: „Viridium-Chef Tilo Dresig steckt in der Klemme. Die BaFin wird auch eine andere Transaktion nicht genehmigen, solange Cinven die Mehrheit hält.
Cinven hatte schon 2023 einen Käufer für Viridium gesucht, war aber mit einer Preisvorstellung von angeblich drei Milliarden Euro auf wenig Interesse gestoßen. Die aktuelle Situation dürfte den Preis erheblich drücken.“
Bei Viridium stehen nun vier deutsche Lebensversicherungs-Bestände im Feuer
1. Heidelberger Lebensversicherung AG: Im August 2013 kaufte die Londoner Cinven Group Limited für 300 Millionen Euro von der Lloyds Banking Group 70 Prozent des deutschen Lebensversicherers Heidelberger Lebensversicherung AG mit damals 600 vor allem fondsgebundene Lebensversicherungs-Policen und einem verwalteten Vermögen von 5,1 Milliarden Euro.
20 Prozent kaufte der deutsche Rückversicherer Hannover RE und die restlichen 10 Prozent der italienische Erstversicherer Generali.
Cinven, Hannover RE und Generali gründeten 2014 mit dem Bestand der Heidelberger Leben die Viridium Holding AG in Neu-Isenburg. Die Heidelberger Lebensversicherung AG betreut aktuell knapp 320.000 Verträge und Kapitalanlagen in Höhe von rund 13,5 Milliarden Euro (Stand Ende 2023).
2. Skandia Lebensversicherung AG: Die Viridium Holding AG kaufte 2014 zusätzlich die Skandia Lebensversicherung AG in Berlin vor allem mit fondsgebundenen Lebensversicherungen. Insgesamt betreut die Skandia Lebensversicherung rund 191.000 Verträge und Kapitalanlagen in Höhe von rund 5,3 Milliarden Euro (Stand Ende 2023).
3. Entis Lebensversicherung AG / Mannheimer Lebensversicherung AG: 2017 kaufte Viridium der Proxalto Lebensversicherungs-AG den Bestand der Mannheimer Lebensversicherung AG ab, der 2003 durch Einzahlung von 240 Millionen Euro durch 103 Lebensversicherer saniert werden konnte, und überführte ihn in die eigens gegründete Viridium-Gesellschaft Entis Lebensversicherung AG. Die Entis Lebensversicherung AG betreut zirka 56.000 Verträge mit einem Vermögen von rund 1,5 Milliarden Euro (Stand Ende 2023).
4. Proxalto Lebensversicherung AG / Generali Lebensversicherung AG: Von 2019 bis 2022 übernahm Viridium von der Generali Lebensversicherung AG in München schließlich alle rund 2,9 Millionen Verträge im Wert von 46,3 Milliarden Euro (Stand Ende 2023) und überführte sie in die ebenfalls zur Viridium-Gruppe gehörende Proxalto Lebensversicherung AG (ehemals Volksfürsorge).
Vertragshilfe24 – Protektor könnte den Viridium-Bestand nicht retten
Die Kraft des Sicherungsfonds Protektor Lebensversicherungs-AG mit Sitz in Berlin reichte zwar, um 2003 die Mannheimer Lebensversicherung AG zu retten, die sich mit Aktien verspekuliert hatte, wie Vertragshilfe24 – Experte Sven Enger auf Business-Leaders.net berichtete.
Die Mannheimer Lebensversicherung AG, die Ende 2002 nach eigenen Angaben 344.500 Verträge verwaltete, hatte zum Ende des ersten Quartals stille Lasten von rund 238 Millionen Euro ausgewiesen. Sie hätte rund 370 Millionen Euro frisches Eigenkapital benötigt.
Doch die Kraft der Protektor Lebensversicherungs-AG reicht nicht aus, um milliardenschwere Lebensversicherungs-Bestände zu retten.
Denn die Verordnung über die Finanzierung des Sicherungsfonds für die Lebensversicherer legt gleich im § 1 fest: „Der Umfang dieses Sicherungsvermögens soll 1 Promille der Summe der versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen aller dem Sicherungsfonds angeschlossenen Versicherungsunternehmen betragen.“ Das sind 74 Lebensversicherungsgesellschaften oder Niederlassungen in Deutschland und 2 deutsche Pensionskassen.
Die Viridium-Gruppe bedient in Deutschland, wie eingangs erwähnt, 3,4 Millionen Verträge und 67 Milliarden Euro Kapitalanlagen.
Zum Vergleich: Das bilanzielle Nettovermögen von Protektor belief sich Ende 2022 auf rund 1,21 Milliarden Euro, wie Business-Leaders.net berichtete.
Vertragshilfe24 – Fazit
Sven Enger, Vertragshilfe 24 sagte auf YouTube: „Fazit in dieser Situation kann nur sein: Überlegen Sie sich exakt und genau, was mit Ihrer Versicherungspolice geschehen soll und informieren Sie sich auf Vertragshilfe24.“
Ein Profil über die aus Berlin stammende Gründerin von Vertragshilfe24, Liane Kirchenstein (59) aus Paradiso am Luganer See in der Schweiz, in der sie aufzeigt, dass sich viele Kapital-Lebensversicherungen nicht rechnen, lesen Sie auf Business-Leaders.net unter diesem Link.
Die Betreiberfirma von Vertragshilfe24, die konzeptional GmbH aus Baar in der Schweiz, wurde von Scoredex.com im März 2024 neu eingewertet. Das Dossier können Sie hier einsehen.
Im Interview mit Scoredex.com erzählte die Verwaltungsrätin Liane Kirchenstein auch, auf welche 10 Versicherungen man getrost verzichten kann und verrät privat, warum man die Unternehmerin öfter mal auf prominenten Events, aber auch bei in Not geratenen Menschen antrifft. (Autor Frank Maiwald)
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